Aufgaben, Kandidatur und Rückblick Ortsbürgermeister

Freie Wählergruppe:
Herr Ortsbürgermeister, lieber Jochen, in Teil 1 hattest Du uns einen kleinen Einblick in die ehrenamtlichen Leistungen und Belastungen gegeben. Wir denken das ist auch ein Grund warum du nicht mehr kandidierst?

Ortsbürgermeister:
Das ist einer von vielen Gründen. Aber sicherlich einer der Hauptgründe. Die privaten Belastungen sind nicht von der Hand zu weisen, insbesondere wenn man Familie hat.
So schlimm es ist, ich hatte ja schon den Wandel der Gesellschaft angesprochen, wird ja auch meine ganze Familie von Attacken auf meine Person belastet und damit konfrontiert. Das möchte ich natürlich so nicht mehr. Ich hatte da schon Einiges über mich gelesen oder ergehen lassen, leider auch geschmückt mit Unwahrheiten und Falschdarstellungen. Ich finde es schade, falls Personen auf so etwas hereinfallen ohne sich vorher eine zweite unabhängige Information und Meinung einzuholen.

Freie Wählergruppe:
Wir erinnern uns, ja als es um die Beratungen zum Gewerbegebiet West ging. In einer Facebookgruppe stand, Du hättest ja schon in den 1990er Jahren im Weitersburger Gemeinderat gearbeitet, nur um für Dich und Deine Familie den Bebauungsplan “Hinter dem Dorf” durchzusetzen.

Ortsbürgermeister:
Ja das war schon sehr grenzwertig. Hier wurde der Facebook Gesellschaft eine verdrehte Halbwahrheit präsentiert, mit dem Zweck mich zu verunglimpfen. Es kann sich aber gerne jeder selbst ein Bild von §186 und §188 des Strafgesetzbuch (StGB) machen. Ich wollte das meinerseits allerdings nicht weiter aufbauschen.

Ich war nie Mitglied in der CDU, wie behauptet wurde, in der Jungen Union jedoch schon. Dort habe ich mich sehr gerne kommunalpolitisch engagiert, weil ich es nach wie vor für gut halte sich früh für Kommunalpolitik und das Leben im Ort zu interessieren und zu engagieren. Das war eine sehr gute und konstruktive Zeit in der Jungen Union, mit anderen jungen Erwachsenen und Jugendlichen, die sich für und rund um den Ort interessieren. Aber das ist nicht das CDU Parteibuch.
Am 12.06.1994 bin ich dann tatsächlich in der CDU Fraktion im Gemeinderat angetreten, auch dafür muss man nicht in der Partei sein. Ich musste aber schon wieder wenige Wochen später, nach den Sommerferien, das Amt niederlegen, da es mit meinem damaligen neuen Job in der Verbandsgemeindeverwaltung ansonsten zu Interessenskonflikten gekommen wäre. Schon im September 1994 ist damit ein neues Mitglied in den Gemeinderat nachgerückt.

Der Aufstellungsbeschluss für den in Facebook genannten Bebauungsplan “Hinter dem Dorf” hat der Gemeinderat erst Monate später am 03.11.1994 beschlossen. Am 24.07.1997 hat der Gemeinerat den Bebauungsplan beschlossen und ein Jahr später ist dieser in Kraft getreten. Das ist ja sehr einfach zu prüfen.
In den sozialen Medien wurde jedoch behauptet ich habe den Bebauungsplan im Gemeinderat eigennützig mitbestimmt, was ich schon aus Befangenheitsgründen gemäß §22 Gemeindeordnung gar nicht hätte tun können, selbst als Ratsmitglied. Weiter wurde behauptet ich wäre, nachdem der Plan dann genehmigt war, plötzlich aus dem Gemeinderat verschwunden. Demnach hätte ich also von November 1994 bis 1998 im Gemeinderat sein müssen, was definitiv nicht der Fall war und was schon von meinem damaligen Beruf her hätte nicht sein dürfen.
Solche verdrehten Facebook-Informationen sind leider ein Negativbeispiel für die Schattenseiten der sozialen Medien und das Gegenteil von sozial, da es Spaltung von Gesellschaften anstrebt.
Ich finde das schon bedauerlich, zu versuchen mit einem möglichst großen Verteiler der sozialen Internetmedien andere Personen unglaubwürdig und korrupt erscheinen zulassen. Kritik ist das eine, Verbreitung von absichtlich falschen Informationen etwas ganz anderes.

Freie Wählergruppe:
Wie hast Du Dich dagegen gewehrt? Hast Du Anzeige erstattet?

Ortsbürgermeister:
Nun, ich hatte tatsächlich mit Behörden Kontakt, insbesondere wegen des §188 StGB - “Gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung”, mich aber letztendlich dagegen entschieden.
Man hatte in dieser Zeit versucht mit verschiedenen Mitteln nicht nur die Beratungen und Informationsveranstaltungen sondern auch das rechtlich geregelte Verfahren einer Bauleitplanung zu stören. Zumindest habe ich stark den Eindruck gewonnen. Ich hatte damals so meine Hürden bei der Leitung der Beratungen zu bewältigen und musste sehr auf der Hut sein, um jegliche Formfehler im Verfahren zu vermeiden.
Als Ortsbürgermeister habe ich die Abstimmung im Rat zu respektieren und als Vorsitzender des Gemeinderates verpflichtend Sorge zu tragen die gefassten Beschlüsse korrekt umzusetzen. Selbst wenn mir die Beschlüsse nicht gefallen bzw. ich lieber eine andere Entscheidung gesehen hätte und das war in den 10 Jahren schon oft der Fall. Das ist aber meine Pflicht, dafür wird man gewählt.
Im Endeffekt, das wurde in diesem Fall ja inzwischen deutlich, will der gesamte Gemeinderat grundsätzlich geregeltes Baurecht für die Ansiedlung oder Entwicklung von kleinen und mittleren Betrieben und die Unterstützung der Weitersburger Unternehmen. Nur, man war sich in vielen Einzelpunkten nicht einig, was leider zu Streit geführt hat. Das liegt meiner Meinung nach aber in der Natur der Sache. Kontroverse Standpunkte und Dissens muss ein Rat oder eine Fraktion aushalten können und damit umgehen können.
Für meinen Teil habe ich jedenfalls mehrfach betont die Gemeindeordnung und das Baugesetzbuch strikt einzuhalten, um Formfehler, auf die eventuell unabsichtlich oder absichtlich provoziert wurde, auszuschließen.

Freie Wählergruppe:
Salopp gesagt “Bist du nicht dagegen, bist du dafür” und umgedreht?

Ortsbürgermeister:
Ja und Nein, ich finde das kann man nicht so einfach sagen. Es gibt so viele Abstufungen dazwischen. Nur heutzutage wird halt versucht schwarz und weiß zu malen. Ich glaube nicht, dass regelmäßig ein Diskurs gesucht wird. Dafür werden gegenwärtig viel zu schnell Drohungen ausgesprochen und Hetze angezettelt.

Freie Wählergruppe:
Du hast schon einmal Drohungen erhalten?

Ortsbürgermeister:
Ja. Drohungen, Beschwerden, Beschimpfungen, Beleidigungen und auch Tätlichkeiten. Wie gesagt, unsere Gesellschaft wandelt sich. Der Frust sitzt tief, was ich nachvollziehen kann, denn ich sitze mit im selben Boot. Die Ortsbürgermeister und Bürgermeister sind nun mal direkt vor Ort (an)greifbar. Sie werden für jedermann und für alles im Ort an vorderster Linie als verantwortlich gesehen.

Freie Wählergruppe:
Das hört sich aber alles nicht so schön an.

Ortsbürgermeister:
In meinen vergangenen 15 kommunalpolitischen Jahren gab es viele schöne Momente. Momente in denen man stolz ist Ortsbürgermeister oder Gemeinderatsmitglied zu sein und mitgeholfen hat etwas im Ort in eine positive Richtung zu bewegen.
So zum Beispiel die Einweihungsfeier des neuen gemeindeeigenen Kindergartens mit dem Besuch der Familienministerin. Als Ratsmitglied die Einweihung der sanierten Sportanlage mit Kunstrasenplatz, das habe ich als ein persönliches Highlight empfunden. Die Fertigstellung des Wohngebietes “Auf’m Bungert / Ober der Heege”, die Fertigstellung der Sanierung und Gestaltung des alten Friedhofs, traditionelle Veranstaltungen wie Kirmes, St. Martin oder Karneval, fast fünf Jahre ein Wochenmarkt auf dem Dorfplatz und vieles mehr.
Allerdings muss man schon die Schwierigkeiten sehen, globale Schwierigkeiten, die sich auch im Ort auswirkten.
Mit Amtsantritt, eine Woche war ich im Amt, musste zunächst einmal aufgrund einer Weltkriegsbombe der komplette Ort zur Bombenentschärfung evakuiert werden. So etwas gab es bis dato auch noch nicht in Weitersburg. Ich hoffe das bleibt eine einmalige Sache und diesen Stress wünsche ich keinem frischen Ortsbürgermeister. 2015 hat uns dann die erste Flüchtlingswelle erreicht und danach weitere.
Die Corona-Pandemie war dann der Supergau. Das war alles andere als das öfter vernommene “Däumchendrehen der Gemeindeverwaltung”. Es mussten immer und immer wieder schnelle Entscheidungen getroffen werden. Verordnungen und Gesetze änderten sich teilweise wöchentlich. Treffen, Beratungen und Entscheidungen, auch Ratssitzungen, konnten nicht so durchgeführt werden wie gewohnt. Improvisieren war angesagt, aber rechtssicher musste es dennoch sein. Das war fast unmöglich.
Die Einschränkungen in dieser Zeit haben den Frust der Bevölkerung deutlich gesteigert und damit auch Beschwerden und Kritik. Das war eine sehr schwere Zeit, für alle.
Und kaum war Corona vorbei, mit all seiner Tragweite und Nachwirkungen, wie bspw. Verteuerungen, Personalmangel etc., kam die nächste Flüchtlingskrise mit dem Ukrainekrieg.

Freie Wählergruppe:
Keine einfache Zeit, auch für die Fraktionen in den Räten nicht. Das heisst Du kandidierst aus Frust nicht mehr?

Ortsbürgermeister:
Nein, so einfach ist es nicht. Ich will aber nach 10 Jahren ehrenamtlicher Ortsbürgermeistertätigkeit wieder viel mehr Gewicht auf Familie, Kinder und meinen Hauptberuf legen.
In den letzten 10 Jahren wurde sehr viel im Ort erreicht. Dem Sanierungsstau wurde viel entgegengesetzt und es wurde für wichtige Dinge, die den Ort positiv beeinflussen werden und zukunftsfähig machen, die Weichen gestellt. Einiges hat leider auch nicht geklappt oder muss noch ein paar Zusatzrunden drehen. Einiges würde ich gerne weiterführen, aber es ist einfach an der Zeit das Ehrenamt weiterzugeben.

Freie Wählergruppe:
Das hört sich spannend an. Wir sind auf die erwähnten vielen Dinge gespannt und werden diese detaillierter im

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