Nachrichten
Nachrichtenarchiv

Steuereinnahmen

{slide=+ Dialog Teile aufklicken ... |closed|orange}

{/slides}

Freie Wählergruppe:
Herr Ortsbürgermeister, lieber Jochen, in Teil 3 haben wir über die Straßenausbaubeiträge gesprochen. Also Beitragsbelastungen insbesondere bei den wiederkehrenden Beiträgen für Anlieger, aber natürlich auch für die Kommune. Wo werden denn die Bürger noch zur Kasse gebeten?

Ortsbürgermeister:
“Zur Kasse gebeten” ist immer so ein negativer Ausdruck. Es ist irgendwie ja auch negativ, aber eine Kommune kommt einfach nicht daran vorbei sofern die Einnahmenseite so wenig ist. Naja, genügend Einnahmen zu erzeugen ist ja auch gesetzlich vorgeschrieben. In der Gemeindeordnung steht ziemlich deutlich in §94, dass die Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben das dafür erforderliche Geld aus Entgelten für ihre Leistungen und, wenn das nicht reicht, aus Steuern zu beschaffen hat.
Nicht nur für Privathaushalte ist alles sehr teuer geworden, auch für die Gemeinde ist das so. Wenn nicht sogar noch heftiger, wenn ich überlege, was alles erst einmal rechtlich teuer geprüft und untersucht werden muss, bevor überhaupt etwas gemacht werden darf.
Es muss also mehr eingenommen werden, wenn man die Lebens- und Wohnqualität im Ort nicht nur weiterentwickeln, sondern überhaupt erst einmal “nur” halten will.
Weitersburg wird für geringe Einnahmen schon jeher vom Land gerügt und leider zunehmend gezwungen mehr Einnahmen zu generieren. Das geschieht dann hauptsächlich mit Steuererhöhungen sofern keine anderen Einnahmequellen vorhanden sind. Bei der Gemeinde daher mit den Realsteuern, also den Steuern, welche sie selbst mitbeeinflusst bzw. deren Höhe sie über die sogenannten Hebesätze festlegen kann.

Freie Wählergruppe:
Aha, und welche Steuern wären das?

Ortsbürgermeister:
Die wichtigen drei Realsteuern wären hier momentan die Grundsteuer A, Grundsteuer B und die Gewerbesteuer.

Freie Wählergruppe:
Momentan?

Ortsbürgermeister:
Ja, mit der aktuellen Grundsteuerreform soll die Grundsteuer C ab dem 1. Januar 2025 wieder eingeführt werden: Die jeweilige Kommune hat dann die Möglichkeit, Grundsteuer C für unbebaute, baureife Grundstücke zu erheben. Es ist also quasi eine Baulandsteuer. Ich bin gespannt, ob Weitersburg das dann anwenden wird. Für Grundstückseigentümer von unbebauten Grundstücken wird es dann teurer werden.

Freie Wählergruppe:
Oh nein, noch mehr Steuern. Wie sehen eigentlich aktuell die Weitersburger Steuereinahmen so aus?

Ortsbürgermeister:
Die letzte Rechnungsprüfung bzw. Jahresabschluss der Gemeinde war im letzten Sommer für das Jahr 2022. Ich beziehe mich also hier auf die zuletzt geprüften Zahlen zum Abschluss 2022. Ich versuche das mal vereinfacht darzustellen:
Die Grundsteuer A, für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke, macht hier nur 0,2% der Steuereinnahmen aus mit weniger als 6.000 Euro.
Die Grundsteuer B, für Baugrundstücke, macht 10,5% der Steuereinnahmen aus mit ca. 340.000 Euro.
Die Gewerbesteuer macht 34% der Steuereinnahmen aus mit ca. 1,1 Millionen Euro.
Die Hundesteuer ist eigentlich auch noch eine wichtige Realsteuer. Sie macht 0.4% der Steuereinnahmen aus und lag bei ca. 12.700 Euro, also mehr als doppelt so viel wie die Grundsteuer A für landwirtschaftliche Flächen.

Freie Wählergruppe:
Ok, wenn wir das richtig zusammenrechnen, ist das nicht ganz die Hälfte der Steuereinnahmen?

Ortsbürgermeister:
Ja. Die Gemeinde erhält noch anteilig weitere Steuereinnahmen, die sie aber nicht selbst beeinflussen kann.
Nach Verteilungsschlüsseln bspw. anteilig von Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder auch ein Familienausgleich. Das sind keine Realsteuern. Mit 48,5% macht die anteilige Einkommensteuer den größten Teil der Steuereinnahmen aus mit ca. 1.5 Millionen Euro.
Anteilige Umsatzsteuer mit 1,5% bei ca. 50.000 Euro und Familienausgleich bei 5% und ca. 160.000 Euro.
Macht in Summe bei den wichtigsten Steuereinnahmen insgesamt ca. 3,2 Millionen Euro.

Freie Wählergruppe:
3 Millionen, na das ist doch schon was, damit kann man doch schon was machen, oder?

Ortsbürgermeister:
Das wäre schön. Da muss ich aber enttäuschen. Den Steuereinnahmen stehen direkt Ausgaben in Form der Umlagen gegenüber. Die größten Positionen bei den Umlagen sind mit 52,5% der Umlagen die Kreisumlage von 1.2 Millionen Euro. Dann die Verbandsgemeindeumlage mit ca. 980.000 Euro und 42,7% Umlagenanteil und die Gewerbesteuerumlage mit 4,8% bei ca. 110.000 Euro.

Freie Wählergruppe:
Gewerbesteuerumlage?

Ortsbürgermeister:
Ein müßiges Thema. Ja das ist mir schon öfter zu Ohren gekommen und wird manchmal als Argument gegen eine Gewerbesteuer genannt. Also 110.000 gegen 1,1 Millionen, da braucht man wohl nicht viel sagen. Ausserdem sollte man sich zunächst erst einmal informieren warum die Gewerbesteuerumlage überhaupt erhoben wurde. Dazu muss man mal die Vorgeschichte zur Gemeindesteuerfinanzreform von 1969 lesen. Der Bericht des Bundesfinanzministeriums ist echt lesenwert. Ohne die Gewerbesteuerumlage gäbe es vermutlich nämlich keine anteilige Einkommensteuereinnahme.

Freie Wählergruppe:
Das ist wirklich interessant. Nun wir sind bei den 3,2 Millionen Steuereinnahmen stehen geblieben. Du sagtest das wäre gar nicht so viel?

Ortsbürgermeister:
Das ist etwas zu relativieren. Denn zieht man nun die Umlagenausgaben von den 3,2 Millionen Steuereinnahmen ab, haben wir 2022 hierbei Nettoeinnahmen von ca. 955.000 Euro gemacht. Das sind ca. 30% der Brutto-Steuereinnahmen.
Zum Vergleich sei mal gesagt, 2014 hatten wir von 1,6 Millionen Euro Steuereinnahmen ca. 250.000 Euro Nettoeinnahmen nach Abzug der Umlagen. Das waren “nur” ca. 15% der damaligen Brutto-Steuereinnahmen.

Freie Wählergruppe:
Oh, wir haben doppelt soviel Steuereinnahmen wie 2014?

Ortsbürgermeister:
Das ist richtig, aber es sind auch fast doppelt soviel Umlagen zu zahlen. Andererseits sind es aber tatsächlich prozentual doppelt soviel Nettoeinnahmen gegenüber 2014.
Viel wichtiger ist, wenn ich nun ausrechne was netto übrig bleibt an Einnahmen, nähmlich ca. 955.000 Euro, was soll eine Gemeinde bitte damit machen?
Wir müssen die Mitarbeiter bezahlen, das sind 3 Vollzeitstellen und weit über 10 geringfügig Beschäftigte und Teilzeitstellen, wir müssen Kredite tilgen, besser gesagt Schulden abbauen.
Dann noch die ganzen Unterhaltungskosten mit Strom, Wasser, Heizung etc. von den Gebäuden mit Grundschule, Schulturnhalle, Gemeindehaus und Kindergarten, Durchführung von Reparaturen und Instandsetzungen und noch weitere nicht verschiebbare Ausgaben.
Da bleibt nicht viel übrig für noch irgendetwas zu gestalten oder umzusetzen. Davon z.B. eine Grundschulerweiterung oder ein Umbau der Schulturnhalle durchzuführen ist ohne große Kreditaufnahme, selbst bei anteiligen Förderungen, unmöglich.
Ich finde das wir mehr und insbesondere stabile Einnahmen schaffen müssen. Die Gewerbesteuereinnahmen sehe ich hier als besonders wichtig an. Das predigt seit jeher schon die Haushaltsgenehmigung und auch die Verbandsgemeindeverwaltung.
Die Gewerbesteuereinnahmen haben uns dort in den vergangenen Jahren mehr als einmal rausgeboxt bzw. gerettet. Weitersburg hätte sonst wohl ernsthafte Liquiditätsprobleme durch hohe Tilgungsraten von Investitionskrediten bekommen.

Freie Wählergruppe:
2019 wurden in einer Haushaltsrede die Gewerbesteuereinnahmen als nur ein Tropfen auf den heissen Stein bezeichnet.

Ortsbürgermeister:
Das ist Unsinn. 2014, als ich Ortsbürgermeister wurde, war tatsächlich die Gewerbesteuer mit nur ca. 10% Anteil an den Steuereinnahmen, mit ca. 166.000 Euro, sehr schwach. Damals waren allein die Grundsteuereinnahmen fast doppelt so hoch wie die Gewerbesteuereinnahmen. Aber 5 Jahre später hatte das schon ganz anders ausgesehen. 2019 machte mit ca. 720.000 Euro die Gewerbesteuer mit 27% Anteil an den Steuereinahmen schon über doppelt so viel wie die Grundsteuer aus. Die Gewerbesteuer ist seit 2016 zweitgrößte Einnahmequelle hinter der anteiligen Einkommensteuer und damit größte Steuereinnahme der Realsteuern. Da von einem Tropfen auf den heissen Stein zu sprechen ist Unsinn.

Freie Wählergruppe:
Das heisst die Gewerbesteuer ist die einzige Chance den Wohlstand und die Wohnqualität in Weitersburg zu sichern?

Ortsbürgermeister:
Die Gewerbesteuer ist ein unverzichtbarer Beitrag und ein sehr wichtiger Baustein dazu. Aber es ist, wie vieles, nicht das Einzige, auf das man setzen sollte.
Die Kommune muss eine gesunde und stabile Einnahmenseite erreichen. Und zwar selbstständig und so gut es geht unabhängig, ich meine damit ganz klar Realsteuern, Mieten und Verpachtungen.
Hinsichtlich Mieten und Verpachtungen hat sich die Gemeinde bisher schwer getan. Wir haben aber inzwischen einen Vertrag für einen Windpark abgeschlossen, in den wir alle Hoffnung setzen sollten. Ohne diese Windkraftanlagen und die daraus in Aussicht gestellten Einnahmen wird es zukünftig sehr düster aussehen.
Eine stabile Wirtschaft ist aufgrund vieler Aspekte ein entscheidender Faktor: gesunder Mittelstand vor Ort, Arbeitsplatzangebote im Ort oder Gewerbesteuereinnahmen. Das alles sichert den Status, die Entwicklung und damit auch unsere Lebensqualität. Das bekommt der Ort nicht geschenkt, da müssen wir schon etwas für tun.
Gerade zum Thema Gewerbe kann hier einiges getan werden. Zur Unterstützung der Entwicklung der ansässigen Unternehmen als auch die Ansiedlung von kleinen und mittleren Unternehmen nach festgelegten Vorgaben, denn die Gemeinde hat die Planungshoheit.
Momentan sehen wir ja den Salat. Wir sehen wohin in den letzten Jahren ausschließliches Sparen in allen Bereichen geführt hat, ohne Investitionen in direkte oder indirekte neue Einnahmenchancen zu vollziehen.
Dazu kommt, das wir seit den 1980ern einen ungeordneten und vernachlässigten westlichen Gewerbeabschnitt haben, der baurechtlich und bautechnisch sowohl die ansässigen Unternehmen an Expansion und Entwicklung hindert, als auch weitere Wohnbebauung im Staffelstück hindert und Schwierigkeiten im Mischgebiet hervorruft. Seit 1988 ist hier ein Bebauungsplan für ein Gewerbegebiet in Aufstellung, welches 1992 von der Planung her sogar einmal 24 Hektar umfassen sollte.
Aber das ist ein anderes langes Thema.

Freie Wählergruppe:
Dann möchten wir uns für den Einblick in die Steuereinnahmen bedanken, die ja scheinbar nicht schlecht sind aber auch besser sein könnten. Und wir freuen uns auf den nächsten Teil.