Friedhöfe
Freie Wählergruppe:
Herr Ortsbürgermeister, lieber Jochen. Wir hätten nicht gedacht, dass es so ein langer Dialog wird. Aber es sind wirklich faszinierende Themen und Berichte. Ein wichtiger Teil sind ja auch ein eher ganz emotionales und sensibles Thema. Die Friedhöfe.
Ortsbürgermeister:
Friedhöfe, ich muss etwas ausholen, damit man die Zusammenhänge versteht. Ungewöhnlich für einen Ort wie Weitersburg ist jedenfalls, er hat zwei Friedhöfe. Der alte Friedhof - Grüner Weg - wurde im September 1921 eingeweiht, der neue Friedhof - Im Rheinblick - wurde Anfang September 1996 seiner Bestimmung übergeben.
Mit der Eröffnung des neuen Friedhofs erfolgte damals gleichzeitig eine Sperrung des alten Friedhofs. Beisetzungen würden seitdem grundsätzlich dort stattfinden, hieß es in einem öffentlichen Schreiben der Gemeinde. Auf dem alten Friedhof erfolgten seitdem Beisetzungen nur noch in begrenztem Umfang und die Wiederverleihung eines Nutzungsrechtes wurde auf einen geordneten Teil beschränkt. Diese Sperrung galt bis vor kurzer Zeit.
Freie Wählergruppe:
Der alte Friedhof war bis vor kurzen eigentlich gesperrt?
Ortsbürgermeister:
Ja, für einen Großteil der Weitersburger waren Bestattungen auf dem alten Friedhof nicht möglich. Neubestattungen waren dort seit 1996 nicht möglich.
Freie Wählergruppe:
Jetzt sind Neubestattungen dort wieder möglich?
Ortsbürgermeister:
Ja, aber dazu muss ich wieder erst einiges erklären. Im November 2013 fasste der Rat einen einstimmigen Beschluss Planungen zur Gestaltung und Überplanung der beiden Weitersburger Friedhöfe fortzuführen und fortzuschreiben. In der gleichen Zeit musste auch aus Sicherheitsgründen eine Teilsanierung der maroden Friedhofsmauer erfolgen.
Ein Jahr später wurde der Gemeinderat zum Thema Friedhofsentwicklungsplanung sowie Gebührenkalkulation unterrichtet. Für den Haushalt 2015 wurden dann vom Rat entsprechende Haushaltsmittel eingeplant.
Freie Wählergruppe:
2014 war ja die Kommunalwahl und du wurdest Ortsbürgermeister. Das fiel also genau in die Zeit.
Ortsbürgermeister:
Ja und damit schien auch bei diesem sensiblen Thema, nach eigentlich klarer Richtung vom ehemaligen Rat, wieder alles offen. Schon im ersten Frühjahr meiner Amtszeit, 2015, erfolgte ein Statusbericht an den Rat über den Zustand der beiden Friedhöfe, der die sehr sanierungsbedürftige Situation verdeutlicht hat. Nicht einmal eine Kartierung oder ein ordentlicher Lageplan der Gräber, Grabfelder und Wege war vorhanden, um überhaupt etwas sinnvoll angehen zu können.
Die neue SPD-Fraktion mit dem Fraktionsvorsitzenden Langenstein wollte nun aber keine Friedhofsentwicklungsplanung und Friedhofsumgestaltung mehr.
Ich glaube es wurde nicht verstanden, dass es nicht grundsätzlich um eine Umgestaltung der Friedhöfe “einfach mal so aus Spaß” geht, denn eine Umgestaltung hatten sie in Frage gestellt, sondern um eine absolut notwendige Sanierung. Es war so viel marode und einfach sanierungsbedürftig: Wege ohne Einfassung, feuchte Trauerhalle ohne Abdichtung, feuchte Urnenmauer, abgesackte Wegeteile und so weiter.
Ich zitiere aus einem Bericht der SPD-Fraktion von 2015:
“Nach Auffassung der Weitersburger SPD könnte eine Friedhofsentwicklungsplanung in "besseren Zeiten” beauftragt werden, wenn die Gemeinde nicht mehr Jahr für Jahr hohe Schulden aufnehmen muss, wie es jetzt der Fall ist.“
Schon dieser Satz ist ja bemerkenswert.
Freie Wählergruppe:
Warum genau?
Ortsbürgermeister:
Zunächst einmal, wann sollten denn diese besagten besseren Zeiten eintreten? Zinsen waren gerade so niedrig wie noch nie, da hätte man investieren sollen. Ich denke mir wird ein Großteil der Bürger Recht geben, dass die “besseren Zeiten” eher damals waren, jedenfalls nicht jetzt.
Und was die Schulden-Parole angeht, die letzten Kredite sind 2016 aufgenommen worden und dass auch nur, weil das Land uns mit der Förderung des Kita-Neubaus hat ein Jahr hängen lassen, was zwischenfinanziert werden musste. Wir haben Schulden gemacht, weil der Gemeinderat sinnvollerweise in der Wahlperiode davor, bzw. ca. 2-3 Jahre davor, sich für einen Kindergartenneubau entschieden hat. Das ist ehrenwert und gut gewesen. Solche Kreditaufnahmen laufen nunmal gerne 40 Jahre. Es war sehr schade, dass Herr Langenstein dem ehemaligen Gemeinderat auf diese Weise vorwarf hohe Schulden gemacht zu haben. Es war eine wichtige wenn auch hohe Kreditaufnahme, die gut eingesetzt wurde.
Unter dem Aspekt frage zumindest ich mich, wann diese besseren Zeiten angedacht waren, und in welcher Zeit man gedenkt 3 Millionen Kredite "ab"zubauen. Für eine Kindergartenplanung und Grundschulplanung werden Hunderttausende ausgegeben, aber für zwei Friedhöfe soll 17.000 für eine Entwicklungsplanung zu viel sein.
Ich persönlich finde wir haben die Pflicht ein respektvolles und angemessenes Bestattungskonzept und Friedhofgestaltung ebenso dem Ort zu geben, wie auch KiTa und Grundschule.
Freie Wählergruppe:
Das stimmt schon. Kita und Grundschule werden von Land und Bund gefördert und unterstützt, mit Friedhöfe und Bestattungswesen muss eine Gemeinde scheinbar nur irgendwie klar kommen.
Ortsbürgermeister:
Jedenfalls war mir nicht klar, dass die Beratungen, um Friedhofsentwicklung, nach guter konstruktiver Zeit gemeinsam mit CDU und SPD in der Wahlperiode 2009 bis 2014, sich so schnell ändern kann. Zum Ende der Wahlperiode 2014 - 2019 spielte die CDU-Fraktion sogar mit dem Gedanken den neuen Friedhof nach ca. 25 Jahren wieder zu schließen. Das wurde teilweise sogar in das Wahlprogramm 2019 übernommen. Das ist ja auch alles demokratisch und legitim, die Überlegung ob man nur einen Friedhof brauche und weiteres. Ich bin allerdings der Meinung das kam, wenn überhaupt, über 25 Jahre zu spät. Ich kann nicht einfach mal einen 1996 eröffneten neuen Friedhof wieder zu machen oder auslaufen lassen. Wieder Sperrungen und keine Wiederverleihung von Nutzungsrechten, ohne dass der neue Friedhof jemals richtig fertiggestellt wurde und dort mindestens genauso viele Bürger bestattet sind, wie auf dem alten Friedhof.
Freie Wählergruppe:
Der ist nicht fertig?
Ortsbürgermeister:
Eigentlich nicht. Nach wie vor steht der Container für Friedhofabfälle immer noch auf dem Parkplatz sowie auch ein damals angedachter provisorischer Container für versch. Arbeitsmaterial.
Was allerdings noch viel wichtiger ist, es hatte sich nach rechtlichen Prüfungen und sogar Einschalten des Gemeinde- und Städtebundes (GStB) 2019 herausgestellt, dass auf dem alten Friedhof keine Erdbestattungen mehr stattfinden dürfen. Der Untergrund, der von Wasseradern durchzogen wird, macht dies dort in dem Maße nicht mehr möglich.
Die Friedhofsentwicklungsplanung hatte 2017 schon empfohlen Sargbestattungen nur noch auf dem neuen Friedhof durchzuführen. Dennoch haben wir den alten Friedhof wieder für Bestattungen komplett geöffnet und saniert. Die Wege wurden erneuert und damit verbunden auch das alte Denkmal restauriert und versetzt, neue Wasserspender und Entwässerungsrinnen, die Trauerhalle wurde saniert und verbessert, sie ist jetzt auch barrierefrei, auf Vorschlag der CDU-Fraktion wurden die Tafeln der Gefallenen des Kriegerdenkmals restauriert, neue Grabfelder wurden angelegt und eine Urnengemeinschaftsanlage wurde errichtet mit pflegeleichten Erdröhren und Urnenstelen.
Der alte Friedhof wurde für Urnenbestattungen neu geöffnet und wie ich finde ist das sehr gut gelungen.
Freie Wählergruppe:
Damit sind die Friedhöfe wieder in Ordnung?
Ortsbürgermeister:
Der alte Friedhof ist meiner Meinung nach momentan wirklich in Ordnung. Die pflegeleichten Urnenstelen werden sehr positiv gesehen. Vor wenigen Monaten erst erfolgte die dringend benötigte Erweiterung um 16 weitere Stelenkammern und 6 Erdröhren. Das finde ich für eine erst 4 Jahre alte Urnengemeinschaftsanlage sehr gelungen. Diese hat sich wirklich gut entwickelt, wird gut angenommen und wertet den alten Friedhof auf.
Ich hoffe die Urnenstelen haben inzwischen auch die Skeptiker im Gemeinderat überzeugt, die während den Beratungen etwas taktlos äußerten, dass man auf keinen Fall da in so eine Kammer rein wolle. Das sollte man für sich behalten. Dafür haben wir ja verschiedene Bestattungsformen.
Am neuen Friedhof finde ich muss noch Einiges getan werden. Hier laufen auch die Arbeitsprozesse noch nicht ganz rund aufgrund fehlender Abstellmöglichkeiten, Stromanschlüsse und so weiter. Die Parzellen sind nicht optimal geschnitten, viel Platz ist verschenkt und der öffentliche Weg Richtung Wäschbach im Ostteil des Friedhofs ist weder begehbar noch eingemessen. Vermutlich läuft die Parzelle teilweise sogar über den Friedhof hinweg. Auch ein neuer Grenzzaun müsste schon längst her. Wie gesagt, ist dort noch ein wenig zu tun.
Alles in allem ist für mich die Friedhofskultur zu würdigen und ein hohes Gut. Das sind Orte der Begegnung und Ruhe, hier begegnen sich trauernde Hinterbliebene oder auch einfach nur Leute zum Spazieren oder die einfach nur Ruhe suchen. Da kann ich nicht, wie Herr Langenstein 2015, alles auf “bessere Zeiten” verschieben.
Seit 2017 wurden übrigens “keine” Kreditaufnahmen von der Ortsgemeinde mehr vorgenommen. Damit fielen für die Wegesanierung des Friedhofes und Sanierung der Trauerhalle und der neuen Urnengemeinschaftsanlagen natürlich zwar Kosten an, aber keine Tilgungskredite für Darlehen, die auf Jahrzehnte die Liquidität der Ortsgemeinde belasten würden. Das, sind Leistungen, die die Gemeinde erbringen konnte und hier hätten wir fast deutlich teurer ausgeführt als es hätte sein müssen, weil mit weiteren geforderten Untersuchungen aus dem Gemeinderat (Dränage für Erdgräber mit Exhumierungen, Sonderabwasserkanalisierung für Dränage u.v.m. ) sich enorme Zeitverzögerungen ergeben hätten und Zusatzkosten, die nicht im Verhältnis standen. Und ich finde es war schon so eine sehr zeitintensive und zeitbelastende Sanierung. Ich kann nur allen dortigen trauernden Hinterbliebenen für Ihre Geduld danken, finde aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Freie Wählergruppe:
Danke Jochen für deine Statements, wir spüren nicht nur hier, dass dir besonders am Friedhofswesen und auch an älteren Generationen viel liegt. Bis zum nächsten Teil.